Im Film “Königin der Wüste” antwortet Nicole Kidman in der Rolle von Gertrude Bell ihrem Vater, als dieser vermutet, dass man Sie auf Ihrer Reise in die arabische Welt für eine britische Spionin halten könnte:
“(…) I am spy for no one (…) but myself.”
Für mich ist das die perfekte Definition von Neugier und bewusster Aufmerksamkeit. Es ist eine rein eigennützige Spionage, der wir nachgehen, wenn wir reisen, Filme schauen, Bücher lesen, Galerien besuchen. Auch ich bin Spionin für niemanden sonst, als für mich selbst. Und das hier sind meine Spionagenotizen.
FILME UND SERIEN
Die Königin der Wüste von Werner Herzog
Wäre Werner Herzog von Gertud Bells tiefen Einfluss auf die Entwicklung der arabischen Welt fasziniert gewesen, wäre dieser Film wohl wie die meisten “Wüstenfilme”: männlich, lebensfeindlich, rauh und roh. Es scheint jedoch nicht Gertrude Bells Geschichte zu sein, die Herrn Herzog inspirierte, sondern die Faszination, die sie für die Kultur und die Menschen Arabiens und Persiens empfindet. Und so ist es ein stiller, poetischer Film über Getrude Bells Sehen und Fühlen, und weniger über ihr Tun, geworden. Die spannungsfreie Geschichte ließ mich konzentriert spionieren und Poesie, Stoffe, Farben und die reiche Kunstwelt Arabiens z.B. in Form von Mosaiken entdecken. Ich habe mich schön gelangweilt - und das ist keine Kritik.
Amadeus von Miloš Forman
But now - I'll say it - now
I am an envious man. I envy deeply
And poignantly. Oh, Heaven!
Where is the virtue, when the holy gift
Has not been sent as a reward
For burning love, work, self-denial, zeal
And prayer but instead
Lights up the madman's head
And idler's mind? Oh Mozart, Mozart!
Diese zermürbende Ungerechtigkeit soll dem Wiener Hofkomponisten Antonio Salieri Mittelmäßigkeit bescheinigt und ihn aus Neid zum Mörder Mozarts gemacht haben. Doch Puschkins Drama ist nichts weiter als ein legendärer Rufmord, der verfilmt allerdings überhaupt nicht inszeniert, sondern tatsächlich wirkt. Und das obwohl ganz offensichtlich die Musik das Drehbuch bestimmt. Wenn die keifende Schwiegermutter sich hinter Mozarts verdrehten Augen zur Königin der Nacht steigert, bekommt man ein Gespür dafür, wie Inspiration sich anfühlt. Ein wirklich - entschuldigt den Ausdruck - geiler Film über zwei herausragende Komponisten, die einander beneideten.
BÜCHER
Im Unterland von Robert Macfarlane (Komplett)
Auf den letzten Teil des Buches habe ich mich am meisten gefreut. Lofoten, Finnland, Grönland. Beim Lesen macht sich in mir immer wieder dieses unvergleichbar tiefe und einschüchternde Gefühl breit, was sonst nur der Anblick einer Landschaft selbst erzeugen kann. Die Inuit nennen dieses Gefühl ilira und Robert Macfarlane reichen Worte, um es auszulösen. Während ich hoffe, dass das Eis bleibt, können Andere kaum erwarten, es schwinden zu sehen. Die Lizenzen für erste Bohrungen im eisfreien Morgen sind schon längst vergeben. Vielleicht ist die Sprache von den Macfarlanes und Carsons, diese poetische Wissenschaft, die einzige Chance, das Unterbewusstsein zu erreichen und so die Menschen davon abzuhalten, die Erde sich Untertan zu machen.
Zählen, Rechnen, Messen.
Wie zahlen uns helfen, die Welt zu verstehen
- Illustriert von Daniela Olejniková
Jedes Jahr schenke ich mir zu Weihnachten einen Stapel Bücher voller Illustrationen. Meistens sind es Kindersachbücher. Von denen kann ich einfach nicht genug bekommen. Ich will einfach alles wissen. Und die komprimiertes Variante, dieses Wissen zu erlangen, sind Bücher voller zauberhafter Illustrationen und Infografiken mit kindgerechter Sprache. Das “Zahlen-Buch” ist genau diese Art von Buch. Die Illustrationen von Daniela Olejniková erinnern mich an die Professor-Astrokatz-Reihe, nur verspielter durch verdammt coole Texturen und Raster. Ich fühle mich nach der Lektüre meinem großen Angstgegner Numerus nicht mehr ganz so unterlegen.
Der Fänger im Roggen von J. D. Salinger
Ich mag es, wenn Bücher einen misanthropischen Ton anschlagen. Die sind irgendwie ehrlicher und überhaupt nicht verlogen. Selbst dann, wenn Holden Caulfield eine komisch-wütende Übertreibung nach der anderen flucht, um auch nur annähernd zu beschreiben wie verdammt schmerzhaft sich sein Erwachsenenwerden anfühlt. Das tut es nicht zuletzt, weil es sich für andere so grandios gut und leicht anfühlt. Ich frage mich, wie ich mich wohl gefühlt hätte, wenn ich das Buch in der 10. Klasse gelesen hätte. Heute weiß ich, dass dieser Wachstumsschmerz irgendwann aufhört. Aber damals hätte ich auch lieber Peter Pans Hand genommen.
Streit! Eine Aufforderung von Meredith Haaf
Einmal im halben Jahr kann man sich über die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung das Bücherregal auffüllen lassen. Auf diesem Weg kam Frau Haafs Aufforderung zum Streiten zu mir. Schon beim Titel war ich völlig konform mit ihr und das Kapitel “Die Ära der beleidigten Leberwurst” hätte meine Sicht auf gemachte Streiterfahrungen nicht besser umschreiben können. Ohne Streit kann man nichts erreichen. Streiten heißt: ich interessiere mich für deine Sache. Und trotzdem schaltet er die meisten Menschen in den Flucht- oder Abwehrmodus. Frau Haaf findet viele (manchmal zu viele) Beispiele für diese Reaktionen, auch bei sich selbst. Die Schlüsse die sie daraus zieht, motivieren dazu, sich auf ein gemeinsames Gegeneinander einzulassen.
“Äußere Kritik und reagiere auf sie immer mit der Vorstellung, du würdest mit deinem Gegenüber am nächsten Tag essen gehen.”
Aus “Streit! Eine Aufforderung vbon Meredith Haaf