Creative Block? MACH was dagegen!
Es scheint mir, als hätte die ganze Welt dicke Kaugummis an ihren Schuhsohlen. Nichts geht mehr voran. Die Corona-Pandemie hat uns substantiviert und zum Stillstand gebracht.
Der Koch ist Koch, doch kocht nicht mehr.
Der Schauspieler ist Schauspieler, doch spielt nicht mehr.
Der Designer ist Designer, doch designt nicht mehr.
Wir sind nur noch, aber machen nichts mehr.
Die Illustratorin ist Illustratorin, doch illustriert nicht mehr.
Und auch ich als Illustratorin spüre wie mit den Aufträgen auch die Aufgaben wegbrechen und die große Leere jegliche Kreativität auffrisst. Die ersten Lockdown-Wochen habe ich noch dazu genutzt, um all das zu tun, wofür sonst jede Minute fehlte. Doch irgendwann war all das gebacken, was ich immer schon backen wollte, geputzt, wo schon lang nicht mehr geputzt wurde und repariert, was schon viel zu lang kaputt war. Es gab nichts mehr zu tun. Im nächsten Moment fiel ein großes dunkles Loch auf mich herunter. Aus diesem ungeplanten Urlaub gab es kein Entkommen. So muss es sich anfühlen, wenn man auf einem Flughafen festsitzt, dachte ich mir.
Die Illustratorin ist Illustratorin, doch illustriert, backt, putzt und repariert auch nichts mehr.
Ich suchte tagelang in den Nachrichten nach einer Lösung - ohne Erfolg. Auch mein E-Mail-Postfach deutete nicht an, dass die Aufgabenliste sich bald wieder füllen würde. Nur ganz hinten rechts in meinem Bücherregal entdeckte ich während einer nachdenklichen Sitzung auf dem Sofa ein Buch, was da schon ziemlich lange stand.
Und täglich grüßt ein leeres Blatt
Es ist Austin Kleons drittes Buch und trägt den Titel ”Keep Going. 10 Ways to stay creative in good times and bad.” Wie passend. Dass es sich um die englische Ausgabe handelt, zeugt davon, dass ich nach den beiden Vorgängerbüchern “Alles nur geklaut” und “Show your work”, welche mein Arbeiten stark beeinflusst haben, die deutsche Ausgabe einfach nicht abwarten konnte. Aber weshalb hatte ich es dann bisher nicht gelesen?
Vielleicht war das auch gut so. Tief versunken in meinem Corona-Kaugummi-Häufchen griff meine Hand nach dem letzten Hoffnungsschimmer.
Erinnern Sie sich an “Und täglich grüßt das Murmeltier” mit Bill Murray? Seit Ende März fühlt sich vermutlich die halbe Welt exakt wie der Protagonist. Trotzdem schlägt Austin Kleon direkt im ersten Kapitel vor, dass jeder von uns sein Leben als Adaption dieses Filmes verstehen sollte. Gestern spielt keine Rolle, ob morgen jemals kommen wird, wissen wir nicht. Also beginnen wir doch einfach jeden Tag mit einem leeren Blatt Papier und füllen es. Was am Ende des Tages damit passiert, ist unwichtig. Selbst dann, wenn es im Papierkorb landet.
Vom Machen zum Sein - nicht andersherum
Mit was wir unsere Tage füllen, ist eines der wenigen Dinge, die wir wirklich beeinflussen können. Austin Kleon macht dafür ganz konkrete Vorschläge, manchmal aber auch nur von Zweifel befreiende Anmerkungen, die die Suche nach Füllmaterial deutlich vereinfacht. Dabei ist die wohl wichtigste Aussage des Buchs:
Forget the noun, do the verb.
Wir müssen aufhören uns durch Substantive zu definieren oder uns von Ihnen einschüchtern zu lassen. Du bist nicht kreativ, wenn du ein Kreativer bist, sondern du bist kreativ, wenn du kreativ bist. Punkt. Also sei kreativ. Mache, tue, handle und betrachte es als Spiel. Nur das Machen bringt dich dazu etwas zu sein. Verdiene dir deinen Titel!
Am Ende des Tages war ich mit dem Buch fertig und war genauso begeistert davon wie von den beiden Vorgängern auch schon. Im Gegensatz zu “Show your Work” und “Alles nur geklaut”, ist “Keep Going” jedoch ein Buch, welches man immer wieder aus dem Regal ziehen wird. Und zwar immer dann, wenn man bemerkt, dass das Blatt Papier einfach zu oft leer bleibt.
Lektüre-Tipp zum Thema
“Keep Going. 10 Ways to stay creative in good times and bad”, Austin Kleon, erschienen bei Workman Publishing New York, 2019
Austin Kleons drittes Buch ist ein fantastischer Motor, um aus dem “Kreatief” herauszufinden oder bestensfalls gar nicht erst hinein zu geraten.